Die Pestalozzischule - eine Schule mit Tradition

Vorgeschichte


Auf Grundlage psychologischer und psychiatrischer Forschungen und der Verbreitung sozialpädagogischer Ideen wuchs in Halle das Bedürfnis sich armen und von der Natur vernachlässigten Kindern anzunehmen und diese zu fördern. Dabei galt es sie entsprechend ihres körperlichen und geistigen Entwicklungsstandes zu erziehen und zu bilden. Zunächst stellte man 1859 in der Sitzung der Schulkommission einen Antrag auf Einrichtung einer eigenen Klasse für „Schwachsinnige“. Hierbei dachte man vorrangig daran lernschwachen, aber auch körperlich vernachlässigten oder häuslich verwahrlosten Kindern Nachhilfeunterricht zu erteilen, um ihnen in absehbarer Zeit die Möglichkeit zu bieten wieder an die „Armenschule“ zurückzukehren und am normalen Unterricht erfolgreich teilnehmen zu können. Mit der Bewilligung des Antrages bei der Schulkommission begann man 1860 eine „Nachhilfeklasse“ zu bilden, die von den Lehrern der Armenschule ehrenamtlich unterrichtet wurde. Die bevölkerungspolitische Entwicklung und eine schärfere Auslese ließ die Anzahl der Hilfsschüler in den 1890er Jahren stark ansteigen. Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde ein vierstufiges System mit neun gemischten Klassen notwendig, das seit 1895 den Namen „Hilfsklasse für Schwachbefähigte“ trug. Bis 1908 blieb die „Hilfsklasse“ der Alten Volksschule unterstellt. Aufgrund von Raumproblemen mussten einige Klassen ausgelagert werden (in die Johannesschule und die Neumarktschule). Seit 1912 trug die Hilfsschule verpflichtend den Namen „Pestalozzischule“, benannt nach dem schweizer Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi.


Johann Heinrich Pestalozzi

 

Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827), der Namensgeber unserer Schule, "gilt als einer der Klassiker der Pädagogik und als Wegbereiter einer allgemeinen Bildung für alle Menschen. Seine Maxime der harmonischen Bildung des heranwachsenden Menschen – Kopf, Herz und Hand – ist weithin unbestritten und prägt bis heute Bildungspläne und Unterrichtspraxis vieler Schulen."

(vgl. http://www.heinrich-pestalozzi.de/)

 



(https://geboren.am/person/johann-heinrich-pestalozzi)

Das Gebäude

 

Im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen, sozialen und hygienischen Folgeerscheinungen des Ersten Weltkrieges wuchs die Zahl der Hilfsschüler stark an. Das Schwergewicht der Erziehungs- und Bildungsarbeit verschob sich zunehmend in Richtung praktisch-konkreter Tätigkeit, also zur Werk- und Gartenarbeit, zum hauswirtschaftlichen Unterricht und zu den Leibesübungen. Um den neuen Aufgaben und Herausforderungen gerecht zu werden, wurde ein Schulneubau zwingend erforderlich.

 

Das Gebäude, in dem sich die Pestalozzischule heute befindet, wurde in den Jahren 1928/1929 im Süden der Stadt Halle errichtet. Es handelte sich hierbei um das erste Schulgebäude, das seit dem Ersten Weltkrieg in Halle überhaupt erbaut wurde. Zudem ist es auch das erste Schulgebäude, das im Zuge des Wohnungsgesetzes von 1918, nach dem Grundsatz der Einbettung in die gestaltete Natur, verwirklicht wurde.

 

Am 7. Januar 1930 wurde das Schulhaus feierlich an die Hilfsschule "Pestalozzischule" übergeben. Darin wurden zunächst 30 Klassen (mit 329 Jungen und 263 Mädchen) von 39 Pädagogen und Pädagoginnen unterrichtet. 

Der Entwurf für das Hilfschulgebäude wurde unter der Leitung des Stadtbaurates Wilhelm Jost erarbeitet. Verantwortlicher Bauleiter war der Stadtbaumeister Heinrich Quambusch. Den inneren Ausbau leitete der Architekt Walter Engels.

Das Schulgebäude setzt sich zusammen aus einem Haupt- und zwei Seitenflügeln. Diese umgrenzen den Schulhof, der in Südrichtung geöffnet ist. Das Gebäude selbst untergliedert sich in vier Stockwerke. Im Erdgeschoss befanden sich neben der Hausmeisterwohnung, Werkstatt-, Material- und Hauswirschaftsräumen auch der zu dieser Zeit einmalige "Pestalozzihort". Im Mittelbau des Hauptflügels befindet sich auch die Turnhalle, die damals wie heute von zahlreichen Vereinen genutzt wird. Im ersten und zweiten Stockwerk befanden sich überwiegend Klassenräume und Verwaltungszimmer. Im dritten Geschoss gelangte man zum Versammlungsraum, der gleichzeitig als Lichtbild- und Hörsaal diente. Von hier aus waren auch seitlich die Dachterrassen für den Turnunterricht und für das Luft- und Sonnenbad erreichbar.  Im Inneren Des Gebäudes wurden auf jeder Etage Trinkbrunnen und Waschbecken für die Schülerinnen und Schüler eingebaut. Für die Gebäudefassade wurde der Klinkerverblendungsbau verwendet.

 

Für die Südseite der Schule wurde der hallesche Bildhauer Richard Horn beauftragt 27 figürliche Darstellungen in farbig glasierter Keramik anzufertigen, die dann als Schmuckelemente verbaut wurden. Die Darstellungen sollten kindgerecht umgesetzt werden. Auch die Wandbrunnen im Inneren der Schule, als auch die große Uhr an der oberen Wandfläche der Außenfassade wurden von Horn gestaltet. Ebenso versah er die beiden runden Treppentürme an der Front des Gebäudes mit Reliefs, die handwerkliche Berufe zeigen, um den Schülern Perspektiven aufzuzeigen und eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Berufen anzuregen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der von Horn geschaffenen Schuluhr. Diese hat einen Durchmesser von 2,30m. Statt der Ziffern wählte Horn zwölf in glasiertem Ton geschaffene, mit leuchtend blauen Kleidern ausgestattete, farbenfrohe Kinderfiguren. Alle Kinder zeigen entsprechend der Stunde eine typische Beschäftigung (z.B. Essen, Singen, Rechnen, Turnen, Spielen, Einkaufen, Schlafen u.a.). Diese Uhr ist die erste Uhr in gesamt Deutschland, die versucht den Tagesablauf durch die Darstellung von Tätigkeiten der Kinder zu veranschaulichen.

 

Die weitere Schulgeschichte



Nach Ausbruch des zweiten Weltkrieges, bereits im Jahr 1939, wurde die Funktion des Gebäudes durch die Einrichtung eines Lazartts verändert. Durch einen Luftangriff am 2. November 1944 wurde der gesamte westliche Flügel des Gebäudes zerstört. Selbst nach Beendigung des Krieges konnte das Gebäude noch nicht seinem ursprünglichen Zweck dienen, sondern wurde als Hilfskrankenhaus in Gebrauch genommen. Die Hilfsschüler wurden in dieser Zeit in anderen Schulen untergebracht. 

Erst im September 1951 veranlasste Walter Ulbricht, die Pestalozzischule ihrem eigentlichen Zweck als Hilfschule wieder zuzuführen. Ab Dezember 1957 beseitigte man die Ruinen des Westflügels und begann mit dem Wiederaufbau, welcher im Septmber 1959 fertig gestellt wurde. 

Im Zeitraum von 1975 bis 1977 erfolgte eine Renovierung und Erneuerung technischer Installationen mit einem Kostenaufwand von 700 000 Mark. Weitere Sanierungsmaßnahmen folgten bis heute.

 

Alle Informationen wurden dem Buch "Historische Schulgebäude der Stadt Halle/Saale" von Dieter Dolgner und Angela Dolgner entnommen.




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